Beileidsbekundungen am Grab

Für mich ist die folgende Frage mit ihrer Antwortstatistik ein gutes Beispiel dafür, dass man keine allgemeingültigen Aussagen zu den Empfindungen und Wahrnehmungen von Trauernden treffen kann. Vieles wird von Trauernden sehr unterschiedlich und zum Teil völlig gegensätzlich wahrgenommen. Was der eine als gut und hilfreich empfindet, ist für den anderen eine echte Zumutung.

Hier aber nun erst einmal die Frage und ihre Antworten:

Was denken Sie über Beileidsbekundungen am offenen Grab?“

Gab es nicht – 126 Personen (30,8%)

das gehört dazu – 122 Personen (29,8%)

für mich war es schrecklich – 96 Personen (23,5%)

ich weiß es nicht – 39 Personen (9,5)

sonstiges – 26 Personen (6,4%)

 

Als Zusatzinfo wurde Folgendes eingetragen:

„Wollten wir nicht.“

„Wir wollten es eigentlich nicht. Kamen aber gar nicht davon weg. Das hat fast 1 Std. gedauert.“

„Einerseits gut, aber nicht alle können hier die richtigen Worte finden.“

„Wir haben vorher darüber diskutiert, ich bin aber der Meinung, dass man allen eine Möglichkeit geben soll, Anteilnahme auszudrücken. Laut Bestatter wissen die Anwesenden gut einzuschätzen, ob sie ihr Beileid bekunden oder nicht und es haben auch längst nicht alle getan, was okay war.“

„Wir haben uns sofort vom Grab entfernt und diese Beileidsbekundungen nicht zugelassen. Die gab es erst bei der Verabschiedung nach dem Kaffeetrinken und da war die Situation entspannter und dort haben die Worte gut getan.“

„Wir haben „Von Beileidsbezeigungen am Grab bitten wir Abstand zu nehmen“ drucken lassen. Würd ich nie wieder schreiben. Bin dann selbst auf die Menschen zugegangen, die mir wichtig waren, weil sie sich ja aufgrund der Zeilen „nicht trauten“.“

„von vielen kam es verlogen rüber.“

„Sollten nicht sein, hat sich aber leider kaum einer dran gehalten.“

„So viele Menschen schüttelten den älteren Herrschaften die Hände, es schien nicht mehr aufzuhören. Die Mutter fiel völlig in sich zusammen.“

„sind meistens nur Floskeln“

„Schön finde ich das persönlich nicht, es belastet und man weiß nicht wirklich, wie man sich verhalten soll, wenn einem zum zigsten Mal das Beileid bekundet wird.“

„oft tröstend gemeint, aber leider oft ungünstig verpackt.“

„mir haben diese Beileidsbekundungen geholfen – ich hatte dadurch das Gefühl, dass ich nicht alleine bin in diesem schrecklichen Moment. Es hat mir für kurze Momente Halt gegeben“

„Macht es nur noch trauriger“

„Jeder Einzelne nahm mich in den Arm. Auch wildfremde Menschen. Ich fand es sehr tröstlich.“

„Ich stand neben mir, hab das mechanisch über mich ergehen lassen.“

„Ich persönlich brauchte es nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass es für andere Menschen ein wichtiges Zeichen der Anteilnahme ist.“

„Ich mag das nicht, denn man hat schon mit sich selber zu tun“

„Ich ging vorher weg vom Grab weil das hätte ich nicht durchgestanden.“

„Ich finde es völlig unwichtig was oder ob die Person überhaupt etwas sagt. Wichtig ist, jedem Menschen die Hand zu geben und ihn bewußt wahr zu nehmen.“

„Ich finde es aber schrecklich.“

„Ich fand es sehr tröstlich.“

„Ich empfand es als gut einen kurzen Moment mit jedem einzelnen gehabt zu haben.“

„grosse Anteilnahme = Trost“

„Für mich war es ganz schlimm….Das tut so weh.“

„Für mich gehört das nicht nur dazu, ich fand/ finde das sehr tröstlich“

„Es war die Hölle pur.“

„Es tat so weh und man hatte keine Pause“

„Es muss jeder für sich entscheiden – für uns war es zwar schwer, aber okay.“

„Einerseits geben die Beileidsbekundungen weitgereisten Trauergästen die Chance zu kondolieren. Bei einer größeren Trauergemeinde fand ich es jedoch schwer aushaltbar.“

„Eigentlich bin ich dagegen, aber es war doch tröstend,“

„Die Worte waren tröstend“

„Das könnte man abschaffen!“

„das ist bei uns Brauch und gehört dazu“

„Bin nach der ersten hinter einen Busch geflohen.“

„Auch als Angehöriger sollte man seinen mitfühlenden Freunden, Bekannten, etc. die Möglichkeit geben, seine Trauer auszudrücken. Dies geht am Grab am einfachsten, da viele ein Problem haben, damit überhaupt umzugehen.“

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Meine persönliche Vermutung, dass z.B. die Ablehnung der Beileidsbekundungen am Grab eher einem bestimmten Personenkreis (z.B. Frauen bis 60 Jahre, die ein Kind oder den Lebenspartner verloren haben) zugeordnet werden kann, ließ sich durch die Umfrage nicht bestätigen. Die Gruppe der Umfrageteilnehmer, die „für mich war es schrecklich“ angegeben haben, zeigten bei den Fragen zur Personen kaum statistisch relevante Abweichungen, die irgendwelche Rückschlüsse zuließen.

Bei einigen anderen Fragen ließen sich allerdings im Vergleich mit den Antwortstatistiken der Gesamtteilnehmerzahl leichter Unterschiede feststellen, die aber eher wenig verwundern.

So wurde z.B. auf die Frage „Was denken Sie über die Zahl der Anwesenden (bei der Beisetzung)?“ von den insg. 96 Personen, die die Beileidsbekundungen als schrecklich empfanden, folgende Antworten gegeben. (In der Klammer stehen zum Vergleich die Prozentwerte der Gesamtteilnehmerzahl.

schade, dass es nicht mehr waren – 1,0% (3,4 %)

ich wäre lieber im kleinsten Kreis gewesen – 10,4% (4,99%)

es spielte für mich keinen Rolle – 34,4% (18,6%)

es war gut so wie es war – 28,1% (35,7%)

es war tröstlich, dass viele Menschen da waren – 22,9% (33,0%)

sonstiges – 3,1% (4,4%)

Es folgen noch ein paar weitere Fragen, bei denen der Vergleich leichte Unterschiede aufzeigte.
(Ich habe hier nur die Antwortmöglichkeiten mit den deutlichsten Unterschieden aufgeführt.)

Wie haben Sie die Beerdigung in Erinnerung?

es war furchtbar – 33,3% (21,5%)

es war angemessen und stimmig – 12,5% (17,6%)

der verstorbenen Person hätte es so gefallen – 25,0% (38,1%)

 

Wie haben Sie das anschließende Kaffeetrinken in Erinnerung?

es war „schön“ – 15,6% (28,1 %)

es war schrecklich – 29,3% (13,2%)

 

Wie empfanden Sie Kondolenzbesuche in den ersten Wochen?

es gab keine Besuche – 25,00% (30,6%)

ich empfand sie als tröstlich /hilfreich – 9,48% (17,1%)

ich wollte niemanden sehen – 20,8% (11,0%)

ich habe es als Belastung empfunden – 5.,1 (3,9 %)

 

Was denken Sie über den Ausspruch „Herzliches Beileid“?

das sagt man halt so- 12,5% (16,1%)

es drückt Anteilnahme aus – 18,8% (28,9%)

es ist eine schreckliche Floskel – 44,99% (34,2%)

ich wollte es nicht hören – 14,6% (11,0%)

 

Wollten Sie auf der Straße, bei der Arbeit, etc. auf den Todesfall angesprochen werden?

ja, ich wollte mich mitteilen – 10.42% (14,91%)

nein, bloß nicht – 19,89% (13,9%)

es war von Tag zu Tag unterschiedlich – 21,9% (14,7%)

Es scheint also so, dass die Personen, die die Beileidsbekundungen am Grab als schrecklich empfanden, den alten Traditionen generell etwas kritischer gegenüberstehen und sie ihre Trauer eher als etwas Privates empfanden. Sie nahmen für sich überwiegend nahestehende, ausgewählte Personen als hilfreich wahr. Das weitere soziale Umfeld wurde in der Trauer manchesmal als zusätzliche Belastung empfunden.